Æon splinter
Das Werk versteht sich als ein Hybrid zwischen einem ePlayer-Klavierstück und einer Konzertinstallation. Es entstand in zwei Arbeitsschritten, die über einen sehr langen Zeitraum verteilt waren: Zunächst die Aufnahmen / das Sampling einzelner Klavieraktionen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten als Erstellung einer Klangdatenbibliothek (beginnend 2003 im SWR Experimentalstudio, in Gängen, Foyers und Hallen als Fernklavier und im Studio des Erich-Thienhaus-Institutes Detmold, an welchem ich lehre) und danach in der Synthetisierung der (somit punktuellen) Einzelsamples zu größeren Strukturen am Computer.
Bei den Aufnahmen der einzelnen ›Klavierbausteinen‹ spielte stets eine besondere und meist von der üblichen Abbildungsnorm abweichende Mikrophonierung eine Rolle; es war also nicht das Ziel einen ›cleanen‹ Klang als möglichst genaue Abbildung / Produktion eines Klavierwerkes zu erreichen, sondern eine hyperreale Verzerrung, bei welcher Distanzen, Abstrahlungscharakteristiken, Frequenzgänge der Mikros sowie die spätere Digitale Verstärkung als musikalische Parameter ›instrumental‹ eingesetzt werden.
In der Regel wurde jedes Zeichen in der Partitur mit einem eigenen Sample realisiert, wodurch die Realisation einer mosaikartigen, punktuellen Collage gleichkommt.
Die Idee des Werkes bestand in der Erkundung einer rein virtuell entstehenden Komposition, in welcher die Partitur einen besonderen, abweichenden ontologischen Status – als Nachschrift – erhält. Auch die Rolle der Spieler*in bei einer Live-Aufführung – welche nicht (mehr) zwingend erfolgen muss, da das Werk virtuell im Netz existiert – ist eine von der üblichen Konzertsituation abweichende: Sie wird zu einem ›Sich-Verhalten-Zu‹ dem bereits potenziell vollständig erklingenden Artefakt. Die Spieler*in wählt aus den Samplestrukturen nach Partitur Ereignisse aus, welche sie LIVE interpretieren möchte, die betreffenden Samples werden im Computerzuspiel auf MUTE gestellt. Somit wird das Verhältnis LIVE – Zuspiel eine relief-artiges, zu einem skulpturalen Fokussieren auf einzelne Ereignisse und Details in der Realwelt, aber auch zu einer immersiven virtuellen Klavierumgebung, in welcher die Spieler*in agiert. Hinzu kommt der interpretatorisch wirksame Faktor der Orientierung in einer präexistenten Fixierung, denn das Zuspiel wird bewusst weder über CLICK oder andere Verfahren synchronisiert, noch dass es interaktiv auf die Spieler*in reagieren würde. Somit ist es die Umgebung, der Umraum, die Landschaft, innerhalb derer es Erkundungen, Entdeckungen und Positionierungen zu realisieren gilt – ein ›behavior‹. Die Auswahl der Aktion für ein ›LIVE-Verhalten‹ kann auch von mehreren Spieler*innen erfolgen (etwa als Klavierduo mit Zuspielung o.ä.). Der Partitur kommt demnach eine Rolle der Ermöglichung von Orientierung im ›Zuspiel-Umraum‹ zu. Das Werk kann auch als mehrkanalige Konzertinstallation ohne LIVE-Interpretationen realisiert werden, wobei hierbei binaurale Wirkungen der (ausschließlichen) Stereo-Samples der Kopfhörer-Rezeption auf geeignete Phantomquellen der Lautsprecher übertragen werden; hierbei kommt der Klangregisseur*in die Rolle einer Interpret*in zu. Die Fokussierung erfolgt durch Spatialisation und Pegelsteuerung LIVE am Pult.
Technische Angaben:
Mehrkanalige Spatialisation von bis zu 16 Kanälen / Klangquellen (auch zusammengefasst /reduziert zu Subgruppen und –routings) auf eine variable Anzahl von Lautsprechern; Stützverstärkung des Live-Klavieres, auf der Bühne beim Instrument lokalisierbar.
Software / Hardware:
Ableton Live (oder alternative DAW), Mehrkanalinterface, Stützverstärkung des Live-Klaviers
Dokumentation:
Partitur (PDF).
Instrumentation:
ePlayer-Klavierstück oder Konzertinstallation
Mehrkanal-Zuspiel, interpretiert durch einen Klangregisseur & fakultative(s) Klavier(e) /resp. Spieler*innen.